Kommt ein Digitalministerium auf Bundesebene?
Aber zurück zum 23. Februar und einer dann neuen Bundesregierung, die sich die Frage nach einem Digitalministerium auf Bundesebene stellen muss, um dem erfolgskritischen Thema Digitalisierung mehr Gewicht und Durchschlagskraft am Kabinettstisch zu verleihen.
Zu den inhaltlichen Kernthemen gehören zum Beispiel, das Once-Only-Prinzip auch gesetzlich zu verankern, digitale Nachweistypen für sektorübergreifende Dienste zu ermöglichen und die Stärkung der digitalen Souveränität durch Lösungen Made in Germany bzw. Europe voranzutreiben. Darüber hinaus müssen zentrale und übergreifende Digitalvorhaben eine stärkere politische, finanzielle und strategische Aufmerksamkeit erhalten. Und zwar auf allen Gebietskörperschaftsebenen. Sprich: Hier ist der übergreifende politische Wille zur Neuordnung der digitalpolitischen Beziehungen zwischen Bund, Ländern und Kommunen notwendig.
Schlaglicht IV: Langfristige, übergreifende Infrastrukturthemen – zu denen weite Teile der Verwaltungsdigitalisierung zweifelsfrei zählen – müssen in den Kommunen auch dauerhaft von Bund und Ländern co-finanziert werden. Die heute nur punktuelle Projektfinanzierung (z. B. von Smart City Projekten) in Abhängigkeit von befristeten Förderprogrammen kommen häufig nur ausgewählten (Modell-)Kommunen zugute und entfalten kaum eine nachhaltige, flächendeckende Wirkung für Bürger und Unternehmen.
Trotz aller Fortschritte, die mit der (zaghaften) Weiterentwicklung einer zentralen Digitalzuständigkeit im BMDV unter der Ampel-Regierung gemacht worden sind, gibt es zahlreiche hauptsächliche Umsetzungsherausforderungen:
- die nach wie vor starke Zersplitterung der Digitalthemen über die Bundesressorts hinweg
- die häufig bloße Aneinanderreihung von solitären und zum Teil redundanten „Leuchtturmprojekten“
- die mangelhafte Umsetzung in der (föderalen) Fläche einhergehend mit fehlenden, einheitlichen Betriebsstrukturen
- die fehlende, übergreifende IT-Governance (dabei auch Standardisierung)
- die fehlende längerfristig stabile Finanzierungssicherheit
Vor diesem Hintergrund stellt sich in der kommenden Legislaturperiode erneut die Frage nach einem eigenständigen Digitalministerium. Wenn man den veröffentlichten Wahlprogrammen der maßgeblichen Parteien und darüber hinaus dem Berlin-Mitte-Funk folgt, dann zeichnen sich derzeit folgende Varianten in der politischen Diskussion ab:
1. Alles bleibt so wie es ist
Weiter so mit einer vielfältigen Zuständigkeit, verteilt über mehrere Ressorts und dort in zig Abteilungen. Begründung für das Beibehalten des Status Quo: eine komplette Um- bzw. Neuressortierung würde zu lange dauern und zu teuer werden. Zudem ließe sich dem Wahlvolk die Schaffung eines neuen Ministeriums mit einem entsprechenden Stellenaufwuchs politisch auch nur schwer verkaufen.
2. Modell „Zwischenlösung“: Staatsminister:in im Kanzleramt
Die Beauftragte für Digitalisierung Dorothee Bär lässt grüßen. Da damals außer Ankündigungen wie Flugtaxis wenig Handfestes erreicht wurde, gibt es Überlegungen, die wiederbelebte Rolle zumindest mit einer eigenen kleinen Abteilung auszustatten. Aber: Will sich ein neuer Kanzler die komplexe Materie Digitalisierung mit einem hohen Umsetzungsrisiko wirklich direkt ins Haus holen?
3. Eigenständiges Digitalisierungsministerium
Mit komplettem Verwaltungsunterbau – also Staatssekretär:innen, Abteilungen usw. Bestehende Abteilungen zum Beispiel aus dem BMI wie DG und DV würden dann per Organisationserlass in das neue Ministerium geshiftet. Aber: eigenes Budget bzw. eigener Einzelplan im Haushalt? Wenn ja, dann auch auskömmlich groß, um wirklich handlungsfähig zu werden? Zuständigkeitsschnitt „nur“ für die Verwaltungsdigitalisierung (vgl. den heutigen BMI-Digital-Themen) oder auch darüber hinaus? Mit eigenem nachgeordneten Behördenbereich (auch für die Betriebsumsetzung)?
4. Ein Bundesministerium für Digitales und Innovation
Hier würde man den heutigen Digitalanteil des Bundesverkehrsministeriums deutlich erweitern. Nicht nur bestehend aus Aufgaben der digitalen Infrastruktur wie Glasfaserausbau und Mobilfunknetze (wo unter Minister Wissing durchaus Fortschritte gemacht wurden), sondern es würde ein umfassender Zuständigkeitsbereich für Digitalisierung geschaffen. Sprich: alle relevanten Abteilungen aus dem jetzigen Zuschnitten des BMDV, BMI, BMWK usw. und auch der relevanten Bundesbehörden wie z. B. BSI, ITZBund und BDBOS würden in das Ressort des neuen Ministeriums transferiert.
5. Bundesministerium für Infrastruktur und Digitales
Der große Wurf – eine Art Infrastruktur-Superministerium – bestehend aus Verkehrs-, Telekommunikations-, Energieinfrastrukturen (siehe Analogien zur KRITIS-Regulierung) und Digitalisierung. Dann kämen als „Unterbau“ zusätzlich auch noch Bundesbehörden wie die Bundesnetzagentur mit in den Scope.
Und als gäbe es nicht schon genug Agenturen und halbstaatliche Einrichtungen im Digitalen, die nach kritischer Lesart letztendlich nur die Umsetzungsschwäche der Kernverwaltung cachieren, wird bei den Varianten drei bis fünf über die Neugründung einer Digital-Agentur als „Arbeitsmuskel“ spekuliert. Kann man so machen. Aber belegt das bestehende Wimmelbild staatlicher Digital-Zuständigkeiten nicht heute schon, dass eine ausufernde Zuständigkeitsfragmentierung eher einer Verantwortungs- und Umsetzungsdiffusion gleichkommt und das ganze System noch abstimmungsaufwendiger und damit langsamer macht?
Besser wäre es, meines Erachtens, die vorhandenen „Leistungsmuskeln“ wie das ITZBund, das BVA und vergleichbare DLZ-IT weiter zu konsolidieren, rechtlich und finanziell auskömmlich auszustatten und damit wirklich arbeitsfähig zu machen – sprich mehr echte Dienstleistungsausrichtung und Angebotsorientierung zu ermöglichen.
Schlaglicht V: Wie positionieren sich die Parteien in ihren Wahlprogrammen?
- CDU/CSU und FDP votieren für die Schaffung eines eigenständigen Digitalministeriums mit Bündelung der „Digitalressourcen“ im nachgeordneten Bereich.
- Die SPD geht nicht mit der Forderung nach einem dedizierten Digitalministerium ins Rennen, sondern will die Zuständigkeiten der Verwaltungsdigitalisierung in einem bestehenden Ministerium bündeln.
- Bündnis 90/Die Grünen sprechen – eher wage – lediglich von einer Bündelung der Zuständigkeiten, Verantwortlichkeiten und des Budgets für Digitalisierung.
- In den eh schon „dünnen“ Wahlprogrammen von AfD und BSW scheint man sich mit dieser Frage nicht ernsthaft beschäftigt zu haben.